Frank-N-Furter | Oliver Severin |
Riff-Raff | Anton Schieffer |
Magenta / Usherette | Heidrun Schweda |
Columbia | Sara Wehrs |
Rocky Horror | Brian Garner |
Eddie | Jens Peter |
Brad Majors | Patrick Serena |
Janet Vice (sorry Weiss) | Mirjam Barthel |
Dr. Scott | Jerzy Fabian Kosin |
Erzähler | Burkhard Plettau |
Regie: Craig Simmons
Musikalische Leitung: Manfred Knaak
Inszenierung: Craig Simeons
Ausstattung: Thomas Mogendorf
Choreografie: Anthony J. Sterago
Fotos auf dieser Seite: Peter Bastian
Mühlacker Tageblatt vom 25.05.2000
"Rocky Horror Show" feiert eine
gelungene Premiere im Pforzheimer Stadttheater:
Schrille, freche Show ohne jegliche Tabus
PFORZHEIM (en). Jetzt hat sie in
Pforzheim das große Haus erobert, die Rocky Horror Show von Richard O´Brien,
und wie es nicht anders sein konnte, war die Premiere ausverkauft. Ein „Kultstück“
ist es geworden, mindestens nennt man es so, und zum Kult ist mittlerweile
vieles geworden, was einst spontan gewesen sein mag, das Anzünden von
Wunderkerzen, die Wasserpistolen, die durch die Ränge fliegenden Klorollen und
der Reis bei der Hochzeitszeremonie. Kurz – die Zuschauer wollen und sollen
mitmachen bei dieser schrillen Show, wenn sich das bei der Premiere auch in sehr
gesitteten Bahnen bewegte und erst zum Schluss bei den zahlreichen Zugaben das
Publikum zu einer stehenden, klatschenden Fangemeinde wurde.
Was reißt die Leute so vom Stuhl, im wahrsten Sinne des Wortes? Es ist ein
Ausflug in eine andere Welt, gemischt aus Science Fiction und Märchen, in der
ein braves junges Paar in eine aus den Fugen gegangene Gesellschaft gerät,
ausgestattet mit allen skurrilen Attributen außerirdischer Wesen, eine Welt, in
der Sex die erste Geige spielt.
Thomas Mogendorf hatte diese Szenerie mit ausschweifender Phantasie und großer
Farbenpracht gestaltet, die technischen Möglichkeiten des großen Hauses taten
ein übriges, Illusionen und Stimmungen erzeugen.
Brad und Janet (Patrick Serena und Mirjam Barthel), die jungen Verlobten,
geraten unversehens in einem Gewitter in ein Schloss, in dem Frank N´Furter
(Oliver Severin) herrscht, ein aalglatter, schriller, ironischer und
machtbesessener Transvestit, der gerade einen Menschen erschaffen hat a la
Frankenstein. Seltsame Figuren wie Riff-Raff, Magenta und Columbia tummeln sich
da in dieser Lehrstunde der Enthemmung, begleitet von der
schmissigen Musik, die die Band unter Manfred
Knaaks Leitung bestens herüber brachte.
Herausragend in Darstellungskunst und vom Publikum bejubelt, agierte Oliver
Severin als Frank, spitz, frech und lasziv, er ließ im wahrsten Sinne die
Puppen tanzen. Wenn der eben erschaffene Rocky Horror (Brian Garner) aus seinen
Hüllen gewickelt wird, gehen die Wogen hoch. Aber es ist auch hier wie im Märchen:
Das Geschöpf will eigene Wege gehen, stiftet zwangsläufig Verwirrung und muss
zum Schluss mit seinem „Meister“ untergehen.
Der Regisseur Craig Simmons brachte die Szenen in gefällige, zum teil mitreißende
Formen, wenn auch manche Dialogstellen etwas brav wirken.
Brav, ob absichtlich oder nicht, wirkte auch Burkhard Plettau als
kommentierender Erzähler. Mit sanftem Lächeln wiest er auf die Verführbarkeit
allen Fleisches hin, die dann auch auf der Bühne sehr handgreiflich in
verschiedenen Variationen stattfindet. Die ganze Show präsentierte sich so
frech und ohne Tabus wie sie gedacht ist, ein Spektakel, das große Begeisterung
im überwiegend jungen Publikum auslöste.
Pforzheimer
Kurier 25.05.2000
Liberté
toujours – heutzutage muss man, wenn man der Werbung glauben darf, einfach ein
paar französische Zigaretten rauchen, um so richtig locker zu werden. Brad
Majors und Janet Weiss müssen dafür einen schwereren Weg zurücklegen. Die
beiden Verlobten mit Hornbrille und Petticoat sind der Inbegriff der gut
gelaunten Verklemmtheit – bis sie bei einem Ausflug eine Autopanne haben.
Nachts. Im Wald. Bei strömenden Regen.
Als
sie an das Tor eines alten Schlosses klopfen, wollen sie eigentlich nur Hilfe
herbeitelefonieren. Statt dessen landen sie in einer schrillen
Transvestitenparty mit einem dominanten Hausherrn, der neben der Vorliebe für
beide Geschlechter auch eine für, na ja, Gentechnik hat. Frank ´n´Furter heißt
dieser König der Nacht, der sich mit dem knackig-muskulösen Rocky ein
Lustobjekt aus der Retorte erschafft und nebenher das Geschlechtsleben von Brad
und Janet ordentlich aufmischt, bis die beiden nur durch den Aufstand von Franks
außerirdischen Dienern aus dem bizarren Schloss freikommen.
„Nur
Unterhaltung, keine Botschaft“ beinhaltet das 1973 in London uraufgeführte
Musical „The Rocky Horror Show“ laut Aussage seines Schöpfers Richard O´Brien.
Dieses Konzept hat sich zum perfekten Dauerbrenner entwickelt. Auch 25 Jahre
nach der äußerst erfolgreichen Verfilmung (Unter anderem mit Susan Sarandon,
Tim Curry und O´Brien selbst) kriegt man mit der „Rocky Horror Show“ noch
jede Bude voll und jeden Saal zum Beben. Wenn man´s denn ordentlich hinkriegt.
Und das Theater Pforzheim hat´s ziemlich ordentlich hingekriegt.
In
Craig Simmons risikoarmer, aber temporeicher Inszenierung fliegen die Boas,
wackeln die Hintern und straffen sich die Strapse, bis der Funke amüsanter
Frivolität nicht nur wegen des Evergreencharakters fast aller Songs überspringt.
In dem phänomenalen Bühnenbild von Thomas Mogendorf, das die Elemente
Geisterbahn, Kinoleinwand, Ufo, Showbühne und ins Riesige vergrößerte
Blutbahnen verbindet, geben Patrick Serena und Mirjam Barthel das verschämt-kokette
Pärchen Brad und Janet, Heidrun Schweda eine herrlich laszive Magenta, Sara
Wehrs eine kindlich trollhafte Columbia und Anton Schieffer den buckligen Butler
Riff-Raff, der noch den Staub von hundert Jahren Gruselkabinett im Kostüm mit
sich herumträgt. Brian Garner ist ein schwarzer, sehr ansehnlicher und drollig
naiver Rocky, Jens Peter der Rock-´n—Roll-Biker Eddie, Jerzy Fabia Kosin gibt
den teutonisch-steifen Alienjäger Dr. Scott und Burkhard Plettau den Erzähler.
Singen (musikalische Leitung: Manfred Knaak) und tanzen (vitale Choreographie:
Anthony J. Sterago) müssen sie alle, und das tun sie zwischen passabel und
mitreißend – auf jeden Fall mit angemessenen Schmackes.
Das
Sahneteilchen dieser Produktion aber ist Oliver Severin als Frank ´n´ Furter,
der nicht nur die dankbarste Rolle hat, sondern diese auch mit Vehemenz, Bühnenpräsenz
und einer zugleich kraftvollen und sicheren Stimme kongenial ausfüllt. Severin
stolziert in Plateauschuhen und zunehmend irrer werdenden Kostümen über die Bühne,
dass es eine wahre Freude ist, ist stimmlich verdammt nah dran an Tim Currys
Filmperformance und lässt sich auch in Sachen Lautstärke nicht von der solide
rockenden, wenn auch nicht immer optimal abgemischten Liveband in den
Hintergrund drängen. Das Pforzheimer Theater hat mit diesen fast durchweg
stimmig besetzten kurzweiligen 90 Minuten O´Briens Selbsteinschätzung
wunderbar eingelöst: „Keine Botschaft, nur Unterhaltung.“ Standing Ovations
in einem bei freiem Verkauf ausverkauften Haus.
Andreas Jüttner