Tolle
Party mit viel Klopapier
Das Publikum fühlt sich wohl in diesem
Tollhaus: Ricardo Fernando inszeniert
The
Rocky Horror Show
Rocky Horror hat es nun auch in Chemnitz geschafft
unter viel Jubel auf die Welt zu kommen, sehr zur Freude der Besucher. Und dazu
hat er sich auch noch einen noblen Kreissaal ausgesucht, denn in Chemnitz wird
The Rocky Horror Show in nichts geringerem als im Opernhaus gespielt. Dort wo
sonst die großen Stimmen unserer Tage die Werke vergangener Zeiten neu
interpretieren, kreischt ungeniert Columbia und Eddie lässt die Bühne unter
Rock´n Roll Klängen erzittern.
B E S E T Z U N G S L I S T E
Frank-N-Furter | Hans Neblung
/ Volker Dörffel |
Riff-Raff | Volker Dörffel
/ Andreas Goebel |
Magenta | Anett Krüger
/ Sylvia Schramm-Heilfort |
Columbia | Svenja
Beneke |
Rocky Horror | Daniel Schröder |
Eddie | |
Brad Majors | Andreas Goebel
/ Martin Vogel |
Janet Vice (sorry Weiss) | Arisa Kusumi
/ Nadja Petri |
Dr. Scott | |
Erzähler | Clemens Dönicke
/ Jost Pieper |
Ralph | Benjamin Zettl |
Betty | Katja Dörre |
Fotograph | David Scherzer
/ Tino Peschlow |
Transylvianiens u. Hochzeitsgäste: Damen und Herren des Ballettensembles
Mitglieder der Statisterie
Livemusik: Michael-Fuchs-Band
Vielen Dank an das Theater, das auch die Ausstellung des Palace of Darkness zur
Show beherbergte.
Der "Palace of Darkness" wünscht weiterhin viel Erfolg.
KRITIK UND PRESSESTIMMEN
Freie Presse 08.02.99
Ohne viel Spaß an der Lust läuft
hier gar nichtsDas
Publikum fühlt sich wohl in diesem Tollhaus: Ricardo Fernando inszeniert "The
Rocky Horror Show am Chemnitzer Opernhaus
Langsam schiebt er, konturenhaft einem Schattenwesen
gleich, mit kreisenden Bewegungen seinen Körper an das Objekt der Begierde
heran, Mann und Frau sind ihm beide gerade recht, fährt mit der Hand langsam
vom Hals bis zum vorsichtigem Widerstand, bringt seine Ideallinie in Position,
drückt ganz leicht und schmachtet: "Gar nicht so schlecht, oder?"
Halt, bevor hier Hüter feuilletonistischer Prämissen
ihre Stimme erheben, sei es ausgesprochen. In "The Rocky Horror Show"
ist nur eines wirklich wichtig: Getrieben von der Lust an der Last muss es Spaß
machen; alles andere zählt nicht. Bei der Premiere dieses zum Kultstatus
aufgestiegenen Musicals von Richard O´Brien am Samstag im Chemnitzer Opernhaus
ließ sich das Publikum, erst einmal richtig in Fahrt gekommen, nicht zweimal
bitten, das Raumschiff zur Fahrt in die etwas andere Welt zu betreten. Denn
galaktisch ist die Show, die Ballettchef Ricardo Fernando hier inszeniert hat,
in jeder Beziehung; schrill bis zur Schmerzgrenze, furios bis zur Ekstase und
hintersinnig bis zur (Er-) Durchleuchtung. Getreu der Offenbarung: Einfach tun,
nicht nachdenken, nur genießen. Sex, wie auch immer geartet, gehört nun einmal
dazu; Maßlosigkeit ist kein Übel, Hemmungslosigkeit das Ziel. Fernando gleitet
dabei nicht in schmierige Anzüglichkeiten ab, sondern bekennt sich zur Sache
selbst: Erlaubt ist, was die Lust zulässt, Grenzen gibt es keine.
Auf drei Impulse für uneingeschränkten Spaß kann der
Regisseur sich verlassen: jeder auf der Bühne darf mit aller Macht
herauslassen, was an Gefühlen konventionelles Denken sprengen kann.
Ausgelassenheit ist keine Frage synchroner Kombination, und der menschliche
Körper eignet sich hervorragend für absurdeste Bekenntnisse; ob gruselig,
verklemmt oder lüstern, ist ganz egal.
Die Rocky Horror Show ist das, wovon ein Stillist nur
träumen kann. Für Stephan Stanisic ist das keine Herausforderung, vielmehr
eine Freikarte zum Austoben. Von Kostümen zu sprechen, fällt schwer, muss auch
gar nicht sein, eher schon von visionären Hüllen für einer frivolen Traumwelt
entstiegenen Wesen. Dessous - zwischen feminin geil für Männlein und echt
stark, fast brutal für Weiblein - gehören dazu. Nieten hier, Federn da, Lack
und Leder, Gummi und Girlanden nicht weniger. Mit metallischen Büstenhaltern
ringen, an Strapsen fummeln, auf Pfennigsabsätzen staksen, wallend rauschende
Winde verursachen und milchstraßenweit entfernt in Uniformen steigen - grotesk
ist die Szenerie in jeder Beziehung, keinen stört das.
Zu einem Gruselschloss hat Wolfgang Bellach die Bühne
nicht gerade gemacht; eher schon zu einem Tollhaus, das in der ersten Etage mit
den roten Plastiksitzen an die Kulisse für eine Gameshow erinnert, während das
Obergeschoss der Abschussrampe für das Raumschiff Enterprise gefährlich nahe
kommt, am Ende sogar in diesem Licht erstrahlt und abhebt; zurück in die
Galaxie Transsylvania. Herrscher der skurielen Szenerie ist Frank-N-Furter.
Keine Frage: Ein androgynes Geschöpf, das sich nimmt, was es will, das mordet,
beischläft und auf den Putz haut, wie es ihm gefällt, bevor es scheitert und
von den gerufenen Geistern der Lebensenergie beraubt wird. Hans Neblung
begeistert in dieser Rolle ohne Abstriche, pendelt mit kompromissloser Vehemenz
zwischen laszivem Charme und rücksichtsloser Gewalt, und kostet es spürbar
lustvoll aus, zum Schluss doch noch Gefühle zeigen zu dürfen.
Janet und Brad sind ins Heiligtum eingedrungen; der
eine mit Feinripp und Eingriff ein Prinzipienreiter, die andere trägerlos
gestützt nur bis dahin jungfräulich. Andreas Goebel und Nadja Petri spielen
und singen genau mit diesem Esprit. Volker Dörffel darf als Riff-Raff
monstermäßig schurkenhaft sein, was nicht ungelegen kommt; genausowenig wie
Anett Krüger die dominante Weiblichkeit der Magenta. Quirlig sexy und ein
Wirbelwind im Fegefeuer ist Svenja Beneke als Columbia, während Daniel
Schröder glaubhaft naiv als Rocky die Muskeln spielen lässt.
Die Musik von Richard O´Brien ist Lebenslust pur,
nicht nur der "Time Warp" längst ein Synonym dafür. Die Band um
Michael Fuchs weiß das, spielt jede Nummer mit dem gleichen Anspruch an den
treibenden Drive, einen mitreißenden Tiefgang jenseits vordergründiger
Seichtheit.
Ach ja: Reis und Klopapier werden geworfen, mit Wasser
gespritzt, Leuchtstäbe entzündet und Plastiktoasts durch die Luft gewirbelt.
Und doch: Der echte Fan vermisst die intime Verruchtheit, ohne die die
"Rocky Horror Show" nur noch ein gefeiertes Musical ist; keine
Weltanschauung mehr.
Reinhard Oldeweme
Chemnitzer Morgenpost 08.09.1999
Tolle Party mit viel KlopapierChemnitz:
Die Chemnitzer Oper rüstet zur "Rocky Horror Show". Sogar
Horrortüten für die Zuschauer sind schon gepackt. Inhalt: Klopapier, Reis,
Wasserpistole, Toastbrot und Leuchtstab - eben alles was ein echter Rocky Horror
Fan braucht. Preis: DM 3,00.
Natürlich kann auch
jeder seinen Showproviant von zu Hause mitbringen. Nur Wunderkerzen sind nicht
erlaubt - zu gefährlich. Das Spektakel von Richard O´Brien, das seit 1973
sagenhafte Triumphe, hat am Samstag Premiere. Der etwas andere Theaterabend -
das Publikum darf ungestraft Kommentare abgeben - ist für alle jene genau das
richtige, die wie der Autor des Kultstückes Spaß an solchen Sachen haben:
Horror, Sex, Kitzel. Hauptakteure sind zwei ganz normale junge Leute. Brad und
Janet sind verlobt. Sie kann gut kochen, er hat gute Karrierechancen. Was es
sonst noch zwischen Mann und Frau gibt, darüber haben sie allerdings noch nicht
gesprochen. Doch eines Tages haben die zwei Unschuldslämmer eine Reifenpanne
und verirren sich in ein geheimnisvolles Schloss. Dort müssen sie mit ansehen,
wie der Hausherr, ein gewisser Frank-N-Furter, sich einen Menschen nach seinen
speziellen Wünschen schafft. Nach diesem abstrusen Akt ist für das Pärchen
nichts mehr wie vorher - sämtliche Gebote bürgerlicher Moral werden über den
Haufen geworfen.
Alle Kritiken stammen aus den angegebenen Zeitungen und wurden an den mit Punkten versehenen
Stellen leicht gekürzt. Sie geben keine Meinung der Webmasterin wieder. Private Kritiken werden unter
Namensangabe extra veröffentlicht.