in Zwickau
Premierentermin: 23.06.1995
B E S E T Z U N G S L I S T E
Frank-N-Furter | Christian Venzke |
Riff-Raff | Dirk Dreißen |
Magenta | Katja Ebert |
Columbia | Karen Kurzendörfer |
Rocky | Bernd Preißner |
Eddie | Mario Böttrich |
Brad | Maltus Schettler |
Janet | Jutta Kögler |
Dr. Scott | Hasso Wardeck |
Erzähler | Sabine Münkner |
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Regie | Thomas Wünsch |
Choreographie | Christian Venzke |
Bühnenbild | Lutz Hofmann/Thomas Wünsch |
musik. Gesamtleitung | Andreas Breiter |
KRITIK
UND PRESSESTIMMEN
Freie Presse 26.06.1995
Das lange Warten aufs nächste Lied
Premiere der "Rocky Horror Show" in Zwickau - Am Ende blieb Ratlosigkeit
Von unserem Redaktionsmitglied Babette Zaumseil
Am Ende blieben Ratlosigkeit, einige Ohrwürmer und tosender Applaus für den Beweis der Funktionsfähigkeit
des Kults. Es ist die Rede von der Premiere der legendären "Rocky Horror Show" Richard O´Brien´s unter der
Regie von Operndirektor Thomas Wünsch am Zwickauer Theater.
Der Abend krankt unter anderem daran, daß die Story äußerst zerfasert wirkt und über Strecken kaum
nachzuvollziehen ist. Vielleicht auch eine Art dieses Stück anzugehen, doch fehlt dann der große Gegenwurf,
der dies wieder kompensiert hätte. So bleibt nur nach jeder musikalischen Nummer (musikalische
Gesamtleitung Andreas Breiter) der große Durchhänger und das lange Warten auf das nächste Lied.
Dabei beginnt Wünsch spritzig und läßt die Puppen tanzen. Doch in dem Moment, als Janert (Jutta Kögler) und
Brad (Maltus Schettler) auf Riff-Raff (Dirk Dreißen) stoßen, beginnt die Geschichte zu hinken. Es scheint,
als ließen sich die Figuren ab diesem Zeitpunkt, als das gesamtre Bühnenbild (Bühnenbildidee Lutz
Hofmann/Thomas Wünsch) sichtbar wird, von der Glas-Metall-Kontruktion beherrschen. Das Bühnenbild
bietet jede Menge Spielmöglichkeiten, die durchaus auch genutzt werden. Doch die Figuren bewegen
sich wie in einer Endzeitvision, von der ja auch im Programmplakat die Rede war. Aber die Verbindung
zwischen esoterisch angehauchter Endzeit und zelebriertem Rocky-Horror-Kult wird nicht hergestellt,
wenn sie denn überhaupt gewollt wäre. Und so wird alles seltsam statisch, bis wieder die Musik eine Art
Erlösung bringt. Die Musiker sind denn auch die wahren Helden des Abends.
Die bizarre Welt, in der die beiden Durchschnittsmenschen landen, wirkt blutleer. Die Herren, die im
Korsett ein Tänzchen mit den Damen wagen (Choreographie Christian Venzke), sind so lieb und brav
wie auf einem Faschingsvergnügen. Als Lichtblick in darstellerischer Hinsicht erweisen sich die Lederfrauen
Magenta und Columbia (Katja Ebert, Karin Kurzendörfer). Schrill und böse hechten sie über die Bühne,
schnurren, verführen und hassen. Dämonisch und herrlich schräg kommt auch die Erzählerin (Sabine
Münkner) daher. Und dann erscheint Frank N. Furter (Christian Venzke) - sein Auftritt ist ein erotisches
Feuerwerk, das leider nur allzu schnell verblaßt. Der Darsteller stöckelt zwar bravourös während fast
des gesamten Stückes in hohen Absätzen über die Szene, doch die sinnliche Verführung, mit der
er seine Umgebung betört, ist letztlich nicht recht glaubwürdig. Der Funke springt nicht über. Die konzeptionelle
Unentschlossenheit während des gesamten Stückes läßt am Ende den Zuschauer bei seinem Abgesang
nur noch ratloser zurück.
Was am Ende bleibt, ist die Erinnerung an teils akzeptable, teils mitreißende Gesangsnummern und
viele Fragezeichen mir einigen Lichtblicken dazwischen. Zu letzteren gehören auch Jutta Kögler und
Maltus Schettler, die sich als Brad und Janet im Rahmen der Möglichkeiten ihrer Fiiguren akzeptabel
zu behaupten versuchen. Riff-Raff allerdings bleibt über den Abend hinweg über weite Strecken blaß.
Rocky Horror wird von dem Sächsischen Meister im Bodybuilding Bernd Preißner verkörpert, Hasso
Wardeck spielt Dr. Everett Scott.
Am Schluß siegte der Kult um die rasenden und wilden Gesangsnummern, und die Musiker setzten zur
furiosen Zugabe an - das Publikum tobte, und die Wunderkerzen brannten ...
Zwickauer Tageblatt 26.06.1995
Thomas Wünschs "Rocky Horror Show" präsentiert sich ernst
Motto "Weniger ist mehr"
Von Susanne Benker
Gut besucht war die Freitags-Premiere des von Operndirektor Thomas Wünsch inszenierten Musicals
"Rocky Horror Show". Wer jedoch eine verrückte Show erwartet hatte, wurde enttäuscht.
ZWICKAU: - Verrücktheit und Unkontrollierthaeit, wie Operndirektor Thomas Wünsch ankündigte, war
in seiner Inszenierung der "Rocky Horror Show" schwer zu erkennen. Stattdessen wurden die
Zuschauer mit einem stellenweise stillen, ernsten und beinahe sakral wirkenden Stück konfrontiert, das
im Gegensatz zu dem Flower-Power-Kultstreifens auf das Allernotwendigste reduziert war. Wünsch
inszenierte effektvoll nach dem Motto "Weniger ist mehr". Die Schloßmauern wurden durch ein Glasdach
ersetzt, das sich je nach Handlungsort schnell verwandelbar war. Nur wenige fühlten sich animiert,
Wunderkerzen anzuzünden.
Von zwei Welten handelt das Stück. Die bürgerliche, rationale des jungen Akademikers Brad (Maltus Schettler)
und seiner zukünftigen Braut Janet (Jutta Kögler) wird von der dunklen Welt des Frank N. Furter (Christian
Venzke) aufs äußerste erschüttert. Stück für Stück geraten die beiden, die sich auf Hochzeitsreise
befinden und eine Reifenpanne haben, in diese Welt hinein. Die düstere, mit schweren Koffern beladene
Gestalt am Anfang des Stücks kündigt nichts Gutes an. Der Zufall spielt nur scheinbar eine Rolle, die Fäden
hält der Forscher Dr. Everett Scott (Hasso Wardeck), der mit den Größen Zeit und Ort experimentiert, in
der Hand. Das Experimentallabor präsentiert sich dem unschuldigen Paar anfangs nahezu lautlos, die
schwarzen Gestalten bewegen sich gespenstisch, nur begleitet von einem leisen Klingeln. Wie erstarrt
lassen Brad und Janet die Verführungsversuche der verruchten Gespielinnen Frank N. Furters, Culumbia
(Karin Kurzendörfer) und Magenta (Katja Ebert) über sich ergehen. Immer mehr geraten sie in den Strudel
ihrer Gefühle. Alleingelassen im Konflikt zwischen ihren Wertvorstellungen einer bürgerlichen Welt und
ihren dunklen Trieben klammern sie sich am Schluß aneinander, haben sich aber letzten Endes verloren.
Laziv räkeln und singen sich Transsilvaniens Protagonisten durch die Handlung, ihre Gier wirkt jedoch
auch bei den drastischen Szenen entschärft, so als der abtrünnige Eddie (Mario Böttrich), ein Produkt aus
Frank N. Furters Experimentierküche, getötet wird. Frank N. Furter steigt nach vollbrachter Tat mit zwei kleinen
Blutflecken auf seiner Schürze aus dem Orchestergraben, das Blut wird säuberlich vom Boden gewischt
und ein kleines Stück Fleisch über Bühnenboden nach hinten getragen. Rocky, das Objekt der Begierde,
ist ehe ein drolliger Teddybär als ein muskelstrotzendes Sexobjekt. Sabine Münkner als strenge Erzählerin
wirkt stellenweise etwas steif, eine so tiefe, verruchte Stimme hätte man dieser zierlichen Frau jedoch nicht
zugetraut. Jutta Kögler verkörpert als Janet glänzend den Wandel von der unschuldigen Verlobten zur
lüsternen Gespielin. Ein Genuß ist es, ihrer wunderschönen Stimme zuzuhören. Ausgezeichnet auch
Christian Venzke in seinen sängerischen und tänzerischen Leistungen.
Schlagartig hebt das Stück in eine andere Qualität ab, als der unerschütterliche Dr. Everett Scott die Mächte
Transsilvaniens anruft, um sein aus der Kontrolle geratenes Forschungsobjekt Frank N. Furter zu richten.
An ein Requiem erinnert die Szene, als dieser mit nach oben gereckten Armen zu den Klängen eines
Cambalos mit Falsettstimme seinen in schwarze Gewänder gekleideten Gebieter anfleht, ihn zu töten.
Das Ende der Reise sagt sich an, die mit schweren Koffern beladene Gestalt erscheint wieder. Janet
und Brad bleiben zurück, sich umklammernd, neben ihnen im Halbdunkel die mumienhaft zusammengerollte
Gestalt des Frank N. Furter, die symbolisiert, daß die dunkle Triebwelt nun ein Bestandteil ihres Lebens ist.
Aufgespießt
Reiswerfer
Weil die "Rocky Horror Show" unweigerlich zur Flower-Power-Zeit, gehört zum Kult-Musical natürlich
auch das richtige Publikum: Ein Power-Publikum nämlich. Eines, das Wunderkerzen entfacht, Feuerzeuge
schwenkt, aufsteht und rythmisch mitgeht - und, was am allerwichtigsten, weil flower-power-mäßig - eines,
das Reis wirft. Nun ist es bestimmt für Sänger und Tänzer auf der Bühne ein Spaß, wenn die kleinen weißen
und braunen Körner nach vorn geflogen kommen - sie können mit einem Schritt nach rechts oder links oder
nach hinten dem Hauptnahrungsmittel der Chinesen ausweichen. Doch offensichtlich hat keiner bei dem
Wurfmanöver an die Jungs im Graben gedacht! Die sitzen dort über Schlagzeug, Saxophon, Keyboard
gebeugt und können nicht entweichen. Und so hatten denn besonders die Zuschauer auf den Rängen
in den Reiswurfsekunden mehr Spaß am Geschehen im Orchestergraben als an dem auf der Bühne.
Da sah man den Gitarristen die Körner aus der wallenden Haarpracht klauben, den Saxophonisten in
den "Rachen" seines Instrumentes greifen und den Keyboarder besorgt zwischen die Tasten schauen.
Der Musik tat´s keinen Abbruch - auch mit Reis klang es gut. Kleiner Tip für künftige Horror-Show
Besucher: Nehmen Sie doch Kartoffeln oder Äpfel mit, die bekommt man schneller wieder aus den
Instrumenten raus.
mjd